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Heutzutage kommt man als ernstzunehmender Modellbauer
an den hochqualitativen Modell- und Zubehörprodukten un-
serer tschechischen Nachbarn kaum mehr vorüber. Möchte
man dem aktuellen Modellprojekt den letzten Schliff in Sachen
Detaillierung verleihen, oder ganz einfach ein Modell schaffen,
das sich von der Masse abhebt, so wird man üblicherweise
und zuallererst in den Sortimenten der Firmen mit Sitz in Most,
Prag oder Obrnice nachsehen. Viele unter uns Modellbauern
kennen diese Firmen bereits seit Jahren, bzw. besuchen
diese regelmäßig an ihren Verkaufs- und Promoständen an-
lässlich der führenden Modellbauausstellungen und Messen. Man kennt sich sozusagen! Doch was steckt hinter den Produkten dieser Firmen?
Wie werden diese recherchiert, umgesetzt und produziert? Diese und ähnliche Fragen beschäftigt die Gemeinde der Modellbauer -und hier nicht
nur die Enthusiasten- seit langem.
Einer der wichtigsten Lieferanten für den Flugzeug-Plastikmodellbau ist die Firma Aires aus dem eben bereits erwähnten Most, im Nordosten der
Tschechischen Republik. Unter dem Label Aires, welches
bereits durch den Namen eine eindeutige Zuordnung der
Zubehörlinie zulässt, werden nicht nur komplexe Upgrades
und Korrektursets angeboten. Zusätzlich zur blauen Aires-
Linie werden auch "QuickBoost", im Prinzip hochdetaillierte
Austauschteile ohne Notwendigkeit einer Bauanleitung,
"Wheelliant", was sich ebenfalls dem Namen entsprechend
mit Flugzeugrädern und deren Arretierung am Boden
beschäftigt und "AeroBonus" angeboten. Bei letzterem
handelt es sich um Ausschmückungs- bzw. Ausrüstungs-
gegenstände, welche erfahrungsgemäß nicht nur den
Dioramenbauer begeistern.
Ing. Stanislav Riegr, Geschäftsführer und Firmengründer von
Aires spol. s.r.o. stand originalundmodell.de für ein Interview
Rede und Antwort.
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Für komplexe Zurüstteile führt kein Weg an modernem CAD-Design
vorbei. Am Beispiel des neuen 1/32er “electronics & ammunition bay”-
Sets für den F-104G/S Starfighter erklärt Herr Riegr die Abläufe, von der
Recherche bis hin zum 3D-Druck.
Herr Riegr, herzlichen Dank für die Einladung hier nach Most in ihr
Unternehmen. Man hat ja als Außenstehender immer eine gewisse
Vorstellung, wie denn die Produkte, die man so gerne verbaut,
entstehen könnten. Beim ersten Rundgang konnte ich nun zweifelfrei
feststellen, dass sich die meisten Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter nicht
allzu sehr von meiner eigenen Modellbauwerkstatt unterscheiden.
Welche Verfahren setzen Sie in der Produktion ein?
“In erster Linie ist natürlich handwerkliches Können und die Leidenschaft
zum Detail unserer Mitarbeiter oberstes Gebot. Und genau dies vermitteln
auch die einzelnen Arbeitsplätze des Musterbaus. Für unsere Produkte
verfolgen wir eine zweigleisige Vorgehensweise. Zum einen werden die
"Master" in reiner handwerklicher Manier aufgebaut, was auch in Zeiten der
3D-Druck-Technologie bei vielen Projekten zeit- und kostensparend ist.
Beispielsweise werden viele Korrekturteile, wie etwa Klappen und
Steuerflächen, aber auch unsere Figuren in Handarbeit aufgebaut. Zum
anderen kommt für komplexe Cockpitsets, Räder oder Schächte und Bays
natürlich der CAD 3D-Druck zum Einsatz.
Die Figuren Ihrer Produktlinie stammen aus Handarbeit?
Ja, mein Mitarbeiter Zdenek Flegl, einer der begnadetsten und
bekanntesten Modellbauer hierzulande, zeichnet hierfür verantwortlich.
Lassen Sie mich bitte die für uns Modellbauer interessanteste Frage
stellen. Wie kam es zur Firmengründung von Aires?
Nun, diese Frage ist einfach, aber auch mit einem weinenden Auge zu
beantworten (lacht). Bis 1995, also auch während meiner Studienzeit zum
Luftfahrzeugingenieur war auch ich begeisterter Modellbauer. In dieser Zeit
kam ich erstmals mit den innovativen Produkten des Francois Verlinden in
Berührung. Dieses Zubehör war zur damaligen Zeit höchst erstaunlich, für
meine Begriffe aber vielfach nicht zu Ende gedacht oder hatte in Sachen
Qualität noch Potential nach oben. Mein Interesse war geweckt und so
"studierte" ich -neben meinem Gang zur Uni- auch die Herstellungs-
methoden und Verfahrensweisen der damals bekannten Zubehör-Hersteller.
Der Gedanke an eine Verbesserung, sowie die Suche nach neuen
Materialien ließ mich nicht mehr los und gipfelte 1995 in der Gründung der
Firma Aires.
Zwischenzeitlich mit dem Ingenieursstudium fertig, schlug ich einen
Praktikumsplatz, bei McDonnell Douglas in den USA, aus privaten,
familiären Gründen aus.
Somit konzentrierte ich mich nun in Vollzeit auf die neue Firma und begann
in größerem Stil zu produzieren.
Aus dem Firmenrundgang und den Ausführungen der Herren
Riegr lässt sich zweifelsfrei feststellen, hier wird nicht nur von
Modellbauern für Modellbauer produziert, auch die Liebe zum
Detail und ein gehöriges Maß an Enthusiasmus stehen spürbar
im Vordergrund.
Für den äußerst interessanten Tag bedanke ich mich recht herzlich bei Herrn Ing. Stanislav Riegr und bei Herrn Petr Herrmann für die Organisation.
Ich wünsche Aires auch weiterhin größtmöglichen Erfolg und bin gespannt auf die kommenden Neuheiten.
Thomas Schneider
August 2016
AIRES
Ein Blick hinter die Kulissen der
“WORLD OF HEAVY DETAILS”
Thomas Schneider im Gespräch mit Ing. Stanislav Riegr
Habe ich das richtig verstanden, Sie haben bereits während Ihrer
Studienzeit Modellbauartikel entwickelt?
Ja, aber natürlich konnte ich dies aus zeitlichen Gründen nicht alleine.
Meine damalige Hilfe wurde später zum Geschäftsteilhaber.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Aires derzeit?
Zur Zeit beschäftige ich 12 Mitarbeiter. Zu Anfangs, wie eben erwähnt, als
Ein- bzw. Zweimannbetrieb, musste ich mit zunehmenden Erfolg auch die
Personalstärke erhöhen.
Gibt oder gab es Kooperationen mit anderen Firmen?
Sicherlich, anfänglich bestanden Kooperationen mit Eduard und Jiri
Silhanek, dem Gründer und Herz der Firma Special Hobby.
Wie wurde in der Anfangszeit der Vertrieb ihrer Produkte abgewickelt...
Hier kommt nun Petr Herrmann, der jetzige Teilhaber und Marketingchef,
von Special Hobby ins Spiel. Damals eröffnete er, ebenfalls ganz neu, die
Distribution Aeromodel in Deutschland und ermöglichte mir für die ersten
beiden Jahre ein breites Kundenklientel zu erreichen, worüber ca. 60% der
Artikel liefen. Aires und Aeromodel wuchsen sozusagen zusammen auf.
...und wie sehen Sie die derzeitige Verteilung?
Bis vor etwa 4 Jahren wurden 60-70% der Artikel in Europa verkauft, wobei
der Löwenanteil, auch wieder ca. 70%, über Hannants in England lief. Der
Rest verteilte sich, mit dem Hauptaugenmerk auf die USA. Inzwischen sind
auch Handelspartner in anderen europäischen Länder, wie z.B. Italien, stark
am zunehmen, so dass der Vertrieb über Hannants derzeit nur noch bei
50% liegt. In Deutschland ist unser stärkster Partner Glow2B.
Wie sehen Sie die Zukunft des Plastikmodellbaus?
Keine Frage, in Europa sehe ich noch eine Zukunft für dieses Hobby. Zwar
vielleicht in anderer Form als bisher, aber dennoch eine Zukunft. Seit über
20 Jahren reise ich jedes Jahr in die USA und muss feststellen, dass sich
der Modellbau dort deutlich von dem hier unterscheidet. Dem Nachwuchs
mangelt es nirgends so sehr wie dort! Auf Ausstellungen und Messen sind
es seit diesen Jahren immer wieder die gleichen Personen, inzwischen ein
Hobby von alten Männern! (lacht)
Planen Sie neben Aires, QuickBoost, Wheeliant und Aerobonus eine
weitere Produktline für die Zukunft, bzw. gab es da nicht mal eine
Militärlinie im Sortiment?
Zu Ihrer ersten Frage: Ja, dies ist allerdings noch im Projektstadium.
Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich darüber noch nicht sprechen.
Auch das ist Richtig, wir hatten eine Produktlinie (Calibre) welche sich
ausschließlich mit Militärmodellen beschäftigte. Nach dem plötzlichen
Tod unseres Kollegen David Bilek wurde diese aber nicht mehr
weitergeführt und lief wegen mangelnder Expertise aus.
Man hört ab und zu einmal von Produkten aus Ihrem Hause, wie
etwa Cockpitsets, die nicht richtig passen sollen. Woran kann dies
liegen? Wie ich mich eben selbst überzeugen konnte, sind Ihre
Produktionsmethoden mehr als nur akkurat!
Nun, dies ist hier im Hause bekannt, und lag an einer großen Lieferung
Kunstharz aus Frankreich, die Spezifikationen (z.B. Schrumpfungsfaktor)
entsprachen keineswegs dem erwarteten. Leider wurde das ganze
Ausmaß erst sehr spät bemerkt und konnte nicht mehr korrigiert werden.
Für die Produkte der letzten 3 Jahre ist dieses Thema aber definitiv vom
Tisch und jeder unserer Artikel entspricht hundertprozentig unseren
Qualitätsansprüchen. Betroffene Kunden mögen sich bitte bei unserem
Support melden.
Kann ich Ihnen zum Abschluss vielleicht noch einige Informationen
entlocken, worauf sich unsere Leser für die nächsten Monate
besonders freuen können?
Nun, Aires plant gar nicht so weit voraus. Wir analysieren ständig den
Markt und regieren relativ kurzfristig auf Modellneuheiten, aber auch auf
Kundenwünsche. Lassen Sie sich überraschen!
Herzlichen Dank Herr Riegr für dieses informative Gespräch.
Oben: Aus einer modernen Produktion nicht mehr wegzudenken: 3D-
Drucker zum Erstellen der Urmodelle.
Unten: Die Repro-Vorlagen aus dem 3D-Drucker werden kontrolliert und
für die Vervielfältigung freigegeben. Hier: 4670 L-29 Delfín Cockpit-Set
Die verkaufsfertigen Teile des neuen 1/48er Sets für die L-29 machen
einen überaus überzeugenden Eindruck!
Unten: Natürlich darf der Blick in die “Hexenküche” (die Resin-Produktion)
nicht fehlen.
Unten: Die Arbeitsplätze für den klassischen Musterbau erinnern vielmehr
an eine Feinmechanikerwerkstatt.
Ein Streifzug durch die verschiedenen Lagerräume unterstreicht einmal
mehr die Erfolgsstory hinter dem Aires-Label!
Unten: Aires Mitarbeiter Zdenek Flegl, unter anderem verantwortlich für die
Figuren, präsentiert uns eine Auswahl seiner Projekte. …
… Gerade bei den Dioramenbauern sind diese Figuren mit ihren realistischen Posen sehr beliebt. Doch
auch andere Projekte tragen seinen Namen: Der schwere WWI Bomber G.V. von Hippo Models in 1/48
stammt aus seiner Feder und wird über Aires vertrieben.