© Thomas Schneider originalundmodell.de 2014 V1.12
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Informationen, Spaß und ein ungewöhnlich tiefer Blick hinter
die Kulissen der tschechischen Modellschmiede Eduard.
Ein Bericht von Thomas Schneider
Fotos: Igor Lutar und Thomas Schneider
Auch Ende November 2015 hieß es wieder: Willkommen zum November-
fest bei Eduard. Zum 3. mal inzwischen wurde ein “Tag der offenen Tür” für
Modellbauer, Fans und interessierte Laien organisiert.
Wie zu erwarten war, wurde Eduard´s Einladung zum Großteil von
tschechischen Besuchern, doch nun auch verstärkt von Modellbaube-
geisterten aus den europäischen Nachbarländern, wahrgenommen.
Deutlich wurde dies nicht nur durch ein internationales Sprachengewirr in
den Pausen und beim abendlichen Buffet, auch die Kennzeichen der
geparkten Fahrzeuge verrieten so manches Detail zum Besucher.
Aus dem Kontingent von 144 Plätzen, welches in diesem Jahr nicht ganz
ausgeschöpft wurde, verteilte man die Besucher auf 11 Gruppen. Diese
durften dann in einem wahren Labyrinth an Gängen, Durchgängen und
Räumen, prinzipiell hinter jede Tür des Betriebes blicken. Wie bereits im
Vorjahr stand auch dieses mal wieder Petr Frank, Mitbegründer des
“Museum der Luftschlacht über dem Erzgebirge am 11.9.1944”, für unsere
deutschsprachige Gruppe als Simultanübersetzer zur Verfügung.
Die Registration und Einweisung (mit Kaffee und Kuchen) fand am Freitag ab 16 Uhr statt. Frau Petra Šolcová machte hier einen wirklich
erstklassigen Job. Es war wieder alles perfekt organisiert, jede Frage wurde bereits vorweggenommen. Hotelunterkunft, Bustransfer, Stadtkarten, Verpflegung,
Sicherheitsunterweisung, Notfallhandy u.s.w., an alles wurde gedacht.
Danach stand bis 22 Uhr die Besichtigung des einige Kilometer entfernten Auslieferungslagers in Most auf dem Programm. Natürlich mit Einkaufsmöglichkeit und ordentlichen
Rabatten!
Samstag: Der anschließende Tagesablauf war komplett durchgeplant und so
starteten wir mit dem Frühstück um 7 Uhr im Hotel. Zwei Stunden später hatte die
Tour bereits begonnen. Es galt in einem rollierenden System die verschiedenen
Bereiche des Unternehmens zu besuchen.
Wir starteten die Tour in der Abteilung Projekt & Konstruktion. Hier erhielten wir
Einblicke in die aufwändigen Schritte vom Original zum Modell. Technik und Design
der Spritzlinge, die Teilezahl, welche Details berücksichtigt werden und so weiter.
Zur Konstruktion wird bei Eduard alles verfügbare an Material herangezogen. Für
besondere Projekte sind weltweite Reisen in Museen und zu entsprechenden
Luftwaffen etc. erforderlich. Natürlich, so Stanislav Archman, wird immer versucht
die (Reise-) Kosten so gering wie möglich zu halten. Doch beispielsweise gerade bei
der Bf 109G steht ein notwendiges Original nur in Kanada. Die Vermessung der
Originalmaschinen geschieht dann jeweils mit PC-gestützter Lasererfassung.
Durchschnittlich werden 16-21 Monate für ein Projekt benötigt.
In 3D-CAD Simulationen erhielten wir schon mal die ersten Informationen zur
Produktlinie 2016. Es wird attraktives in 1/48 geben, aber ebenso wird es weiter
Modell zu Eduard´s “72 Scale Revolution” geben.
Eine Spitfire Mk.V, P-51, Fw-190 (komplett neue Form), Bf 190F/G (der zweite
Versuch) und der Entwicklungsbeginn einer Tempest stehen im Maßstab 1/48 auf
dem Programm. In 1/72 sollen ebenfalls Spitfire und auch MiG-21 kommen und
weitere Varianten zur Avia B.534.
Hier wurde wirklich jeder fündig. Unser Gruppenführer, Jan Zdiarský, sorgte
zusätzlich als Taxifahrer dafür, dass auch wirklich jeder im Lager ankam. ;-)
Ein Schelm, wer “Marketingstrategie” dabei gedacht…
Als anschließende Unterkunft konnte man bereits mit dem Bestellen der Karten eines
von zwei Hotels wählen. Die Übernachtung mit Frühstück kostete nicht einmal 15
Euro! Für das ganze Event war ein Unkostenbeitrag von 37 Euro zu entrichten, was
angesichts des Bausatzes, den man im Laufe des nächsten Tages
(mehr oder weniger) selbst produziert, eigentlich geschenkt war!
Weiter ging es im Konferenzraum mit einem Vortrag zur Firmengeschichte, Pläne
und Aussichten, durch den Firmeninhaber Vladimir Sulc. Die wichtigen Eckdaten
wären hierbei die Gründung im Jahr 1989, die Änderung zur GmbH drei Jahre
später und die anfängliche Partnerschaft zum tschechischen Mitbewerber MPM.
Eduard beschäftigt derzeit übrigens eine stolze Zahl von 130 Mitarbeitern!
Eine größere Umstrukturierung ergab die Einführung von Stahl- bzw. später der
Aluminium-Spritzgussformen in CAD-Technik. Hierdurch wurden die Mitarbeiter,
welche sich bisher mit der Technologie und Umsetztung von “klassischen”
Kunstharzformen beschäftigten, “überflüssig”. Aus der Not heraus entstand das
BRASSIN-Programm, welches die Mitarbeiter weiter mit Arbeit versorgte. Dieses
Resin- Zubehör hat sich inzwischen zu einem der wichtigen Eckpfeiler des
Unternehmens entwickelt.
Interessant war es auch einiges über Statistiken zu erfahren. So gehen 30% der
Produktion in die USA und 25% decken den tschechischen Markt. Die Nachfrage bei
Eduard Produkten ist bei den deutschen Modellbauern eher am anderen Ende der
Meßlatte zu finden. Gerade einmal 4-5% der Bausätze und des Zubehörs gehen
nach Deutschland!
Letztendlich geht es auch um die ständige Beobachtung des Marktes. Die
Verkaufszahlen der Mitbewerber sind durchaus mitentscheidend welches Projekt
realisiert wird. Gemäß der Eduard Philosophie werden Modelle von Flugzeugen
umgesetzt, welche viele Geschichten und Geschichte haben. Einen Flop mit einem
eher unbekannten Typ könne und möchte man sich in der Eduard-Familie nicht
leisten,
Oben: Unser Übersetzer, Petr Frank (links) und
Gruppenführer Jan Zdiarský, Marektingchef im Hause
Eduard (rechts). Petr hatte mehr als ihm lieb war mit der
korrekten Übersetzung der teilweise sehr ausführlichen,
technischen Fragen und Antworten zu tun. Hierfür gleich
nochmals meinen herzlichen Dank.
Rechts: Natürlich läuft auch die Entwicklung der neuen
SE5a auf Hochtouren.
Nach dem Vortrag des Firmengründers erhielten die Teilnehmer die ersten Teile
zum Tour-Bausatz 2015. Ein Poster zur “gelben 5” des Fw 190A-8- Bausatzes.
Kateřina Borecká, die verantwortliche Künstlerin für die Boxarts, war dieses mal
nicht anwesend, sie wurde Mutter an diesem Wochenende.
Herzlichen Glückwunsch!
Als nächstes besuchten wir die Spritzgussabteilung, welche in den Kellerräumen
untergebracht ist. Eine spezielle “Limited Editon” der neuen
1/72er Fw 190 sollte nun selbst hergestellt werden.
Oben: Herr Sulc versucht mit viel Witz auf die Fragen der Zuhörer zu
antworten. So manches zusätzliche Detail erfuhr man in anschließenden
persönlichen Gesprächen.
Im ganze Firmengebäude, welches in früheren Zeiten übrigens ein
Kaufhaus war, findet man Originalteile, Ausrüstungsgegenstände und
auch Waffen aus vergangenen Tagen (welche einfach so an der
Garderobe hängen..) :-)
Jeder Besucher hatte die Möglichkeit, die Maschinen und Geräte hierfür selbst zu
bedienen. Na ja, es war wohl eher ein: “So, und jetzt drücken sie diesen Knopf und dann
entnehmen sie ihr fertiges Teil..”
Auf alle Fälle war es immens interessant den Produktionsvorgang einmal aus der Nähe
zu sehen. Den Eduard-Mitarbeitern kostete dies lediglich ein müdes Lächeln. War es
doch eher ein langweiliges, fließbandähnliches Bedienen der Maschinen...
Das Granulat !
Der Stoff aus dem die
(Modellbau-) Träume sind.
Weiter ging es in den Formenbau. Hier erhielten wir Informationen und gezeigte Beispiele der “alten” Technologie, der Kunstharzformen. Diese wurden in einem
komplizierten Verfahren hergestellt und besitzen eine “bedampfte” Oberfläche. Eine große Herausforderung bei dieser Technologie ist die Korrektur des Schrumpfungs-
faktors. Hier mussten wirkliche Spezialisten mit langjähriger Erfahrung ans Werk.
Die neuen Werkzeuge werden mit CAD gefräst. Feinste Oberflächendetails wie Gravurlinien oder
Nietenreihen werden funkenerosiv hinzugefügt.
Ebenfalls ein interessantes Detail: Nicht nur in den Büros, sondern auch In den Gänge, Fluren und auch
sonstigen Räumen stieß man immer wieder auf Originalteile.
Unten: Das Balkenkreuz ist noch erkennbar. Dieses quadratische Teil einer Ju 88 diente einem
tschechischen Züchter jahrzehntelang als Dach für einen Hasenstall. :-)
Oben: Petr Frank übersetzte alle technischen Details und ließ keine
Fragen offen.
Ein Blick in Eduard´s “Schatzkammer”. Hier lagern unbezahlbare Werte! Allerdings scheint es seit geraumer Zeit bereits ein Kapazitätsproblem zu geben. Unzählige
Formen lagern bereits in den Gängen.
Statt einer hochgehaltenen roten Fahne als
Zeichen für die Gruppe, trug Jan Zdiarský
eine gehäkelte Fliegermütze. Also, über
mangelnden Spaß konnte sich in unserer
Gruppe wirklich niemand beklagen ;-)
Natürlich wurde auch für das leibliche Wohl
gesorgt. Zur Mittagspause wurden wir im
Kulturzentrum Obrnice, gegenüber dem
Firmengebäude, durch ebenfalls sehr nette
Mittatbeiter(innen) empfangen.
Danach ging es weiter mit der Fotoätzteile-
Produktion. Wir begannen mit dem Arbeits-
schritt der UV-Belichtung von Film und Metall...
…und gingen weiter zu den Säurebädern, bzw. “Waschstraßen”.
Unten: Fertige Ätzteilplatinen und Beispiele für die Möglichkeiten dieser Technologie.
Rechts: Jedes Jahr ein Highlight für die Besucher, die Vorführung der Augen- und Ganzkörperwaschanlage.
Eduard´s Novemberfest 2015